Gottes Sehnsucht

Gottes Sehnsucht

Wenn es um Religion geht, ist man immer sehr schnell dabei, sie als möglichen Weg zu Gott zu interpretieren – im schlimmsten Fall als Irrweg.
Der Mensch wird dabei oft als suchendes Wesen beschrieben, dass auf irgend eine Art einer höheren Bestimmung nachkommt und nach einem Gott, einer tiefen Wahrheit oder einem Ursprung strebt.
Er hat – bewusst und unbewusst – eine Gottessehnsucht. Er strebt nach Höherem.
So fängt religiöses Leben beim Menschen an. Er hat Sehnsucht nach Gott.

Wer aufmerksam die biblische Darstellung liest, spürt, dass es dort anders beschrieben und betont wird. Es geht nicht um ein Streben des Menschen, sondern um ein Bestreben Gottes. Gott schafft den Menschen nicht als sein Spielzeug oder sein Experiment, sondern von Anfang an will er ihn, als sein Gegenüber, sein Ebenbild. Von Anfang bis zum Ende  ist es Gottes Sehnsucht nach dem Menschen, die alles vorantreibt. Ein paar Indizien dafür:

Wo bist Du, Mensch? (Gen 3)
Schon im Bericht des Sündenfalls, der Entfremdung und Entfernung von Gott, zeigt sich, dass Gott Sehnsucht nach seinen Ebenbildern hat. Die Grundfrage der Gott-Mensch-Beziehung lautet nicht „Wo ist Gott?“, sondern: „Wo bist Du, Mensch?“ Er vermisst uns!

Der verlorene Sohn und der liebende Vater. (Lk 15)
Das neue Testament berichtet davon, dass Gottes Sehnsucht nach seinen Menschen so weit geht, dass er selbst Mensch wird und zu ihnen kommt. Ein sehr zentraler Text, der dies beschreibt, ist das sogenannte „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ aus dem Lukasevangelium. Eigentlich ist es das „Gleichnis vom barmherzigen Vater“, denn hier liegt der eigentliche „Dreh- und Angelpunkt“ der Geschichte. Der Vater läuft in der Geschichte seinem wiederkehrenden Sohn entgegen und setzt ihn wieder ein in die ursprünglichen Beziehung. „Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden.“ Lk 15,24. (Eben nicht: „Der Dummkopf ist zur Besinnung gekommen und hat den endlich seinen Weg gefunden!“ 😉 )
Die Sehnsucht und Liebe des Vaters ist das wahrhaft „göttliche“ an diesem Gleichnis.

Wiederkunft Jesu und Vollendung (Offbg 21)
Auch der Blick auf die Vollendung der Zeitgeschichte unterstreicht, dass es eine Bewegung Gottes ist, um die es geht. Jesus kommt wieder in diese Welt und gestaltet sie neu. Seine Bewegung!  Offbg. 21,3 betont bewusst: „Gott wird bei ihnen wohnen“ und nicht, die Menschen werden irgendwann dort ankommen, wo Gott wohnt, wenn sie die religiöse Sprossenwand erklommen haben und endlich oben sind! Nein: Gott hält bis zuletzt die Trennung nicht aus und tut alles, dass er bei seinen Menschen sein kann.

In den letzten Tagen habe ich Sie immer mal wieder mit hinein genommen in menschliche Sehnsüchte, die vielleicht gerade jetzt in der Corona-Zeit besonders spürbar werden.
All diesen Sehnsüchten wendet sich Gott immer wieder zu. „Er erquicket meine Seele“. (Ps 23,3)
Das alles aufgrund seiner großen Sehnsucht nach mir. Ihm gefällt es gut zu sein, gütig zu sein! Das ist seine Sehnsucht . Gott sei Dank!

Alle Bibelzitate nach Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart